Die Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – insbesondere bei ARD und ZDF – hat direkten Bezug zur Medienarbeit von PR-Agenturen und Unternehmenskommunikation. Denn nur wenn diese Multiplikatoren in der Bevölkerung Zustimmung genießen, ist dieses Kommunikationsinstrument sinnvoll.

Prof. Dr. Alfred-Joachim Hermanni ist Studiengangsleiter für Medien- und Kommunikationsmanagement und Leiter des zertifizierten Lehrgangs Digital Media Management an der SRH Fernhochschule. Er beantwortet unsere Fragen.

Rundfunk-Experte: Grundversorgung überdimensioniert


Prof. Hermanni, ist in Zeiten der umfänglichen Informationsversorgung ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk weiter notwendig?

Es steht außer Frage, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk unverzichtbar ist. Dieser hat die Aufgabe, ein inhaltlich umfassendes Programmangebot aus Information, Kultur, Bildung und Unterhaltung für alle Zielgruppen zur Verfügung zu stellen, um die sogenannte Grundversorgung sicherzustellen (Zur Rolle der Massenmedien).

Erfüllt der öffentlich-rechtliche Rundfunk diese Aufgaben?

Im Allgemeinen werden die Öffentlich-Rechtlichen dieser Verantwortung gerecht. Allerdings sind bei einigen Anstalten Tendenzen erkennbar, immer mehr Unterhaltungsangebote zu produzieren, um höhere Einschaltquoten zu generieren. Die Folge ist, dass schon einige Bundesländer vorschlagen, den Programmauftrag auf die Bereiche Information, Kultur und Bildung zu konzentrieren.

Wo liegen aus Ihrer Sicht die größten inhaltlichen Kritikpunkte?

Nach Einschätzung von Sachverständigen könnte auf manches Programmangebot verzichtet werden, weil sich eine Entwicklung hin ins Seichte abzeichnet. Denken Sie beispielsweise an belanglose Vorabendserien und Quizshows, die zur Verflachung des Programms beitragen, sowie an die Vielzahl von Krimis. Im Übrigen erleben wir ein Überangebot an Talkshows und politischen Magazinen.

Was müssten die Sender verbessern?

Es ist an der Zeit, den Fokus der öffentlich-rechtlichen Anstalten neu auszurichten, um unter anderem die jüngeren Zielgruppen wieder mehr anzusprechen und zu hinterfragen, ob der Auftrag der Grundversorgung noch in angemessenem Maße erfüllt wird. Darüber hinaus fehlen crossmediale Formate über mehrere inhaltlich, gestalterisch und redaktionell verknüpfte Kanäle, wobei beispielsweise musikrelevanter Content zwischen Fernsehen, Hörfunk und Internet kommuniziert wird.

Wie bewerten Sie die Finanzierung durch die Haushaltsabgabe auf Basis der KEF-Berechnungen?

Die KEF (Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten)-Berechnungen entsprechen die eines Papiertigers, solange seitens ARD und ZDF keine nachhaltigen Einsparungen vorgenommen werden. Zweifellos ist der Grundversorgungsauftrag mit 20 öffentlich-rechtlichen Fernsehprogrammen und 70 Hörfunkprogrammen überdimensioniert. Brauchen die deutschen Haushalte wirklich diverse Sparten- und mehrere Kulturprogramme, die lediglich einige hunderttausende Zuschauer finden? In diesem Kontext bleibt auch zu klären, warum Rundfunkanstalten wie zum Beispiel Radio Bremen oder der Saarländische Rundfunk, die sich nicht selbst finanzieren können, weiterhin subventioniert werden sollen.

Halten Sie das Urteil der Verfassungsrichter vom Juli diesen Jahres für zielführend?

Es war zu erwarten, dass die Karlsruher Richter den Rundfunkbeitrag im Wesentlichen als verfassungskonform bestätigen. Die Richter attestierten den Anstalten, einen Auftrag zu erfüllen, der „wesentlich“ sei für die Demokratie, zumal das Angebot eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks die finanzielle Belastung rechtfertige. Über finanzielle Einsparungsmodelle oder gar über die Qualität der öffentlich-rechtlichen Sendungen wurde nicht verhandelt, weil dies auch nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts ist, sondern des Journalismus und der Politik.

Welche Verbesserungsvorschläge haben Sie hinsichtlich der Finanzierung, sind Werbeerlöse notwendig?

Die öffentliche Rundfunkkommunikation – Grundversorgung und Auftrag – muss weiter gesichert werden. Gleichwohl ist eine Reduzierung der Werbezeiten in den Hörfunk- und Fernsehprogrammen wünschenswert, zumal keine wirtschaftlichen Auswirkungen entstehen, wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk sorgfältig haushaltet. In diesem Kontext sollte berücksichtigt werden, dass bereits im Jahr 2007 rund 80 Prozent der Gebührenzahler zu viel Werbung im Fernsehen ablehnten.

Und, ganz wichtig, die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten hat für den Zeitraum 2013-2016 den Kompensationsbetrag bei vollständigem Entfall von Werbung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ARD/ZDF) dokumentiert. Unterm Strich reden wir von lediglich 1,18 Euro pro Gebührenzahler, die zusätzlich zu entrichten bzw. bei den Rundfunkanstalten einzusparen wären.

Wie steht es um die Ausgabenseite: Ist es notwendig, dass der ÖRR umfängliche Online-Angebote und Apps bereitstellt?

Zunächst einmal sollte jedem Gebührenzahler die Möglichkeit eingeräumt werden, zeitversetzt auch diejenigen Programme abrufen zu können, für die er bereits eine Gebühr entrichtet hat. Inwiefern dazu Apps erforderlich sind, darüber lässt sich diskutieren.

Zur Ausgabenseite: Mir fehlt es nicht an Fantasie, auf welche Weise Kosten einzusparen sind. So könnte bspw. das derzeit doppelte öffentlich-rechtliche Korrespondentennetz mit weltweit rund 50 Auslandsstudios erheblich reduziert werden. Oder es könnten die Sparten- und Kulturprogramme zusammengelegt werden. Oder es könnten ARD-Landesrundfunkanstalten fusionieren, um Einsparungen in den Bereichen Technik, Verwaltung und Personal vorzunehmen.

Ist es aus Ihrer Sicht sinnvoll, dass sich regionale Sender an kulturellen Veranstaltungen beteiligen und auch in Fußball-Stadien umfänglich Präsenz zeigen?

Der Rundfunkstaatsvertrag umfasst u.a. das Recht auf unentgeltliche Kurzberichterstattung, so auch über kulturelle sowie sportliche Veranstaltungen. Eine finanzielle Beteiligung öffentlich-rechtlicher Sender an der Durchführung von Veranstaltungen ist aber nicht durch den Staatsvertrag gedeckt.

Prof. Dr. Hermanni, danke für das Gespräch!


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