Zunächst dachte ich, ich hätte ein Marketing-Fachbuch zu rezensieren. Allerdings hat es, ausgehend von einer akademischen Grundlage, eine hohe ethisch-moralische Botschaft. Heiner Weigand hat mit „Green Marketing: Erfolgsstrategien für kleine und mittelständische Unternehmen“ eine zu diskutierende Betrachtung dieser Unternehmensstrategie vorgelegt.
In sechs Kapiteln stellt der Autor die verschiedenen Anforderungen für das Green Marketing vor. Strukturiert verdeutlicht er die vollständige Ausrichtung auf Prozesse, Organisation, Produkte und Kommunikation. Damit füllt er den umfänglichen Marketing-Begriff mit konkreten Hinweisen und grenzt es von CSR (Was ist das?) ab.
Heiner Weigand unterbricht die einzelnen Kapitel mit Praxis-Beispielen aus seiner Arbeit oder von bekannten Unternehmen (z.B. Vaude), die das Green Marketing bereits heute in der Strategie leben. Dabei betont Weigand, sich als Unternehmen nicht zu übernehmen, sondern Schritt für Schritt Projekte für das Green Marketing anzugehen. So entstehen beim Leser für unterschiedliche Branchen bereits Ideen im Kopf, was zu tun wäre. Ein Kapitel mit Tools für die Kommunikation und das Reporting schließen den Ratgeber ab.
Ist Green Marketing öko?
Sprachlich setzt der Autor auf einfache Worte und weniger auf das Marketing-Sprech. Er zeigt ab und an feinen Humor, wenn er „Freiburg als Hochburg als grüner Gesinnung“ schreibt. Zwar spricht der Autor sich selbst gegen eine Art Öko-Evangelisation aus, ab und an dringt diese jedoch durch. So ist die Behauptung, dass Elektroautos keinen Feinstaub verursachen würden falsch (siehe zeit.de). Oder Heiner Weigand erwähnt auf der einen Seite Biomasse als Option für nachhaltige Energieversorgung, im Folgeabschnitt kritisiert er wiederum Mono-Kulturen in der Landwirtschaft. Das dies zusammenhängt bleibt unbetrachtet. Sätze wie „Leser dieses Buches missbilligen genauso wie ich“ zeigen ebenfalls die erwartete Ansprache eines bestimmten Milieus.
Politik und Gesellschaft im Kontext
Damit ist die Rezension im Kontext des Buches. Green Marketing ist eben nicht nur eine strategische Kommunikationsform, sondern eine unternehmenspolitische Entscheidung, die auf gesellschaftliche Trends Rücksicht nimmt. Es obliegt immer noch dem Unternehmen selbst, Instrumente des Green Marketing umzusetzen. Dem trägt Heiner Weigand als Unternehmensberater zu Recht Rechnung, wenn er betont „Unternehmen soll sich nicht vorschreiben lassen, wen es einstellt“.
Seine Hinweise hinsichtlich Einstellung oder Ausbildung von unterschiedlichen Mitarbeitergruppen sind nur eingeschränkt praktikabel. Zudem unterstellt er Unternehmen eine Irrationalität und ethisch-moralisch falsche Einstellung, wenn er schreibt „Frauen sind Männern überlegen“ und auf der anderen Seite die irreführende Diskussion zum Equal Pay erwähnt. Ich habe bisher mit noch keinem Unternehmen zusammengearbeitet, in dem leistungstragende Personen, bei gleicher Qualifikation, Hierarchie- und Erfahrungsstufe, Alter und Wochenarbeitszeit unterschiedlich bezahlt wurden. Hier sind Arbeitgeber viel weiter als die veröffentlichte-politische Meinung vermutet.
Politik verhindert Green Marketing
Daneben steht Green Marketing in einem politischen Fokus. Bestimmte Optionen zur Optimierung wie im Leasing werden vom steuer-rechtlichen Rahmen verhindert. Inklusion und Diversity sind wichtige Ziele, aber unternehmensindividuell zu betrachten. Darüber schweben für kleinere Unternehmen sozial-rechtliche Risiken, wie Kündigungsschutz oder Urlaubszeiten. Nicht jeder Arbeitgeber kann diese schultern und vor dem Hintergrund der Gesamtbelegschaft annehmen. Unternehmen können nur noch bedingt CSR mithilfe von Pro-Bono-Leistungen übernehmen, da das Finanzministerium die Mehrwertsteuerpflicht festgesetzt hat.
Green Marketing muss wirtschaftlich bleiben
Der vorliegende Band bietet Gedanken und Ideen, um als Unternehmen seiner Verantwortung gerecht zu werden. Konkrete Anregungen zeigen die Möglichkeiten in der Praxis. Aber es fehlt an der strategischen Auswertung hinsichtlich der Zielgruppen. Nicht für jede Persona ist eine höhere Qualität trotz eines höheren Preises ein Kaufargument. Der Autor verdeutlicht nur bedingt die Zuschneidung des Green Marketing auf bestimmte Zielgruppen und Märkte. Unternehmen haben selbstverständlich eine gesellschaftliche Verantwortung, aber nicht um den Preis der Wirtschaftlichkeit.
Diskutiert man den Ratgeber auf einer Meta-Ebene, ergibt sich das gleiche Problem wie mit der Energiewende und dem Bio-Fleisch: Die Absichten und die Ideen sind bestens. Aber in großen Teilen für gut situierte Milieus. Die „Bionade-Bourgeoisie“ ist finanziell und ethisch zentrale Zielgruppe, viele Milieus sind es aber (noch) nicht. Green Marketing steht so vor den ähnlichen Problemen wie generell eine ideologisch motivierte grüne Politik: Naturwissenschaft, physikalische Zusammenhänge und Wirtschaftskreisläufe lassen sich nicht durch Glauben und Wunschdenken aushebeln.
Trotzdem sollte jedes Unternehmen in diesem Rahmen natürlich versuchen, die Geschäftsprozesse nachhaltiger zu gestalten.
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Über den Autor Heiner Weigand
Heiner Weigand ist Geschäftsführer der karmacom GmbH. Die Freiburger Agentur hat den Schwerpunkt CSR und berät Kunden im nachhaltigen Marketing. Der Autor gewann mit seiner Arbeit mehrere Preise im Mittelstand.
„Green Marketing – inkl. Arbeitshilfen online: Erfolgsstrategien für kleine und mittelständische Unternehmen“ ist im August 2017 in der 1. Auflage beim Haufe Verlag erschienen, hat 239 Seiten und kostet 39,95 EUR.
Bildquelle: shop.haufe.de
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Über den Rezensenten Nicolas Scheidtweiler
Aktuelle Informationen über den Autor Nicolas Scheidtweiler erhalten Sie auf seinem Google+-Profil. Er studierte in München und Hagen und arbeitet seitdem in verschiedenen Funktionen und Bereichen der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit ist die Verknüpfung von praktischen Erfahrungen mit einem Theorie-Fundament. Nicolas Scheidtweiler hat einen Lehrauftrag für Medientheorie an der Hochschule Bremerhaven.